Lotusblüten sind in weiten Teilen Asiens ein Symbol für Reinheit und Erleuchtung, weil ihre Oberfläche Schlamm und Schmutz einfach abperlen lässt. Von dieser Widerstandskraft der zarten Blüten lässt sich die britische Sängerin und Rapperin Little Simz auf ihrem neuen Album Lotus inspirieren.
Little Simz ist der Künstlername von Rapperin, Sängerin und Schauspielerin Simbiatu Ajikawo. Sie wurde 1994 als Tochter nigerianischer Einwanderer in London geboren, wo sie schon früh im Jugendzentrum St. Mary's die HipHop-Szene kennenlernte. Ihren ersten Auftritt bei der BBC hatte sie schon mit 11 Jahren. Als Rapperin erlangte sie früh Anerkennung innerhalb der Szene und gründete 2014 ihr eigenes Label Age 101 Music. Sie wurde immer von ihren alten Freunden unterstützt, aber vor dem neuen Album hat sie die Zusammenarbeit mit ihrem langjährigen Produzenten und guten Freund Inflo beendet. Sie wirft ihm vor, dass er ihr 1,7 Mio Dollar schuldet. Diesen Verrat verarbeitet sie auch in ihrem neuen Album. Vor allem im Song Thief rappt sie wütend über Vertrauensmissbrauch und Manipulation.
Durch den Bruch mit ihrem Produzenten und die daraus resultierende finanzielle Krise zeigt sich Little Simz auf dem neuen Album auch unsicher in Bezug auf ihre musikalische Karriere. Dabei ist klar, dass sie eine der wichtigsten Rap-Artists ist, denn ihre Erfolge sprechen für sich. Unter anderem gewann sie 2020 den Ivor Novello album-of-the-year award für ihr fünftes Album Grey Area, den Mercury und Brit Award 2022 für ihr vorletztes Album Sometimes I might be introvert, kollaborierte mit Coldplay und Gorillaz, und wird von Star-Rappern Stormzy und Kendrick Lamar (“the illest doing it right now”) unterstützt. Trotzdem sagt Little Simz in einem Interview mit der BBC, dass sie während der Arbeit am Album ihr Selbstvertrauen verloren hatte. Auf dem Album erzählt sie ehrlich von diesen Selbstzweifeln und fragt sich im Song Lonely sogar, ob sie überhaupt weiter Musik machen oder sich mehr auf ihre Schauspielkarriere konzentrieren sollte. Ihr Schauspieltalent zeigte sie schon 2010 in der BBC Serie Spirit Warriors und ihre Rolle in der Netflix Serie Top Boy (2019) wurde von der Kritik gelobt. Sie könnte also auch diesen Weg erfolgreich weitergehen. Doch vorerst zeigt sie auch auf dem Album, dass sie schauspielern kann. Der Song Blood wirkt wie eine Szene aus einem Theaterstück, in der zwei Geschwister ein schwieriges Telefonat über ihr voneinander entfremdetes Leben und ihre Familie führen. Dieser Song im Call-and-Response mit Rapper Wretch32 und Sänger Cashh ist nur eine von vielen Kollaborationen auf dem Album. Sie lässt dabei mühelos verschiedene Einflüsse aus Soul, Funk und Afrobeat in ihre im Grime verwurzelte Spielart des HipHop einfließen. Der selbstbewusste Song Flood mit dem nigerianischen Sänger Obongjayar und der südafrikaischen Musikerin Moonchild Sanelly zeigt ebenfalls wie Simz Inspiration in kreativer Zusammenarbeit findet.
Trotz persönlicher Krisen macht Little Simz nicht einfach ein wütendes Album über Verlust. Stattdessen erzählt sie offen von Selbstzweifeln, Unsicherheit und Ratlosigkeit und hält dabei an Liebe und Hoffnung fest.