Band: Cloud Nothings
Album: Attack On Memory
Mitglieder: Dylan Baldi, Joe Boyer, TJ "Juck" Duke, Jayson Gerycz
Herkunft: Cleveland, Ohio
Klingt wie: Proberaumschrammelei
Attack On Memory. Das heißt im weitesten Sinne den Speicher attackieren. Der Speicher der Cloud Nothings das war bis dato der schrammelige Erstling Turning On, der melodiös-fröhliche, aber auch sehr schrammelige selftitled Cloud Nothing. Attackiert werden die beiden Platten jetzt vom aktuellen Album Attack On Memory. Und diese Attacke hats in sich.
Markenzeichen der Band um Multiinstrumentalist Dylan Baldi waren vor allem die treibenden Gitarrenriffs, die mit ihrer fröhlichen Grundattitüde und dem rotzigen Gesang Baldis so etwas wie eine Spit-On-It-Haltung erzeugt haben. Kurze, knackige Songs, die punktgenau da landen wo sie hin sollen, nämlich in den Langzeitspeicher der Hörer, an den Mann gebracht durch eine ehrliche, unbeschönigte Produktion. Legt man mit diesen Erwartungen Attack On Memory in die Anlage, wird man unvermittelt Opfer dieser Attacke. No Future/No Past heißt der Opener und man kann schon vom Titel ablesen: Der Wind hat sich gedreht und mit ihm auch die Wolken. Der Blick fixiert die Zukunft und die zwingt einen die Augen zu schließen.
Pessimismus, Nihilismus, ernüchternder Rationalismus. Diese vernichtenden Lebenseinstellungen wirft einem Baldi in den ersten viereinhalb Minuten des Albums an den Kopf. Wasted Days, der zweite Track, verspricht ebenso wenig Positives. Was ist mit den Cloud Nothings passiert?
Im Grunde gar nicht so viel, denn auch auf dem Vorgänger waren die Texte eher hinterfragender Natur. Jetzt ist die Instrumentierung nachgezogen. Nicht nur, dass die Fröhlichkeit verschwunden ist, auch die Knackigkeit wurde ad acta gelegt. Knapp neun Minuten bohrt sich Wasted Days ins Gedächtnis. Genug Zeit zum Nachdenken. Genug Zeit zur Selbstreflexion. Umso passender wenn am Ende des Songs die niederschmetternden Zeilen ‚I thought I would be more than this‘ aus Baldis tiefstem Innern, angerauht durch seine Kehle – am Ende geschrien durch seine Seele, den Weg nach Draußen finden.
Man sagt so gern, dass eine Platte oder eine Band erwachsener klingt. Auch auf Attack On Memory trifft das zu, allerdings ist da noch etwas anderes: Man hört, dass diese Band gehört werden will. Lange Instrumentalparts, ein Track der komplett ohne Gesang, aber ebenso impulsiv und energisch, über die Lautsprecher dröhnt (Separation) und kompakte Refrain-Lyrics: all das sind Dinge an denen man unmöglich ohne Aufzusehen oder besser Aufzuhören vorbeikommt.
Mit Fall In, der unglaublich griffigen Single Stay Useless und Cut You lassen sich die Clevelander wieder zu ihrem typischen Sunshine-Sound hinreißen, allerdings ohne den Fokus zu verlieren. Auch hier bleibt der Grundtenor ein pessimistischer. Gefestigt wird das Ganze durch Tracks wie Our Plans und der deprimierenden Zeile ,no one knows our plans for us / we won´t last long‘. Was auch immer Dylan Baldi widerfahren sein mag (eine autobiografische Note drängt sich geradezu auf), er verpackt es in handfeste Stücke mit Tiefgang, ohne dabei Eingängigkeit einzubüßen.
Fazit: Cloud Nothings schaffen auf Attack On Memory ein Bild aus wasserfesten Grautönen, eine kantige Skulptur mit einbetoniertem Sockel. Hier formt sich etwas, dass sich nicht so leicht erschüttern lässt: Der Charakter eines Menschen.
Gerade die Tatsache, dass das Vorgängeralbum mit einer solch unbedachten, jugendlichen Beschwingtheit daher kam und jetzt Platz macht für Gedankengänge, die tiefsinniger und nihilistischer nicht sein können, macht diese Band zu etwas Besonderem. Langweilige Postkartenvordrucke titulieren: Man muss das Negative kennen, um das Positive schätzen zu können. Weniger langweilige Fernsehserien stellen einen vor die Wahl: Soll man dem Weg mit dem Regenbogen folgen, oder doch eher dem düsteren, zwielichtigem Pfad folgen? Future? Past? Cloud Nothings haben jetzt beide Pole in ihrer Diskografie.
Anspieltipps:
- Wasted Days
- Stay Useless
- Fall In
- Our Plans
- Separation
Internetpräsenz:
myspace.com/cloudnothings
facebook.com/cloudnothings
schwebt auf Wolke Nothing: Jakob Sauerwein