Künstler: Drake
Album: Take Care
Herkunft: Toronto, Ontario, Kanada
Klingt wie: gefühlvoller Hip-Hop
Amerikanischer Hip-Hop steht schon seit langem unter keinem guten Stern mehr: Zu sehr wird die eigene Geilheit zelebriert, das andere Geschlecht diffamiert, und Mitglieder der eigenen Zunft provoziert. Nun veröffentlichte 2010 der (nennen wir es mal vorsichtig nicht ganz so beliebte) Kanye West mit „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ inklusive der selten-vergebenen Höchstpunktzahl bei Pitchfork ein Album, auf das sich bereits alle einigen konnten: der im dreieck-springende Hipster, der auf-den-Boden-starrende Postrocker, und natürlich auch der sich an-den-Hoden-greifende Hip Hopper. 2011 wiederholt sich das alles in ähnlicher Weise.
Bereits mit seinem Debütalbum „Thank Me Later“ landete Drake alias Audrey Drake Graham auf Platz eins der amerikanischen Albencharts. Mit seinem Nachfolger „Take Care“ schaffte er es sogar, dort weit über 600.000 physische und digitale Exemplare allein in der ersten Woche zu verkaufen. Das alles spricht natürlich erst einmal nicht direkt für Qualität. Aber bereits am Anfang wird klar, dass es sich hier nicht um den sonstigen Gangster-Einheitsbrei handelt: Minimalistische Beats (Klavier, Fingerschnipsen) treffen auf Sprech- und (unkitschigem) R&B-Gesang.
Natürlich geht es auch hier um „Nigger“, „bitches“, und „fucking“. Aber nie wird einem das Gefühl vermittelt, dass es darum geht, sich und sein Leben selbst zu feiern. Vielmehr geht es um das Gefühlsleben des Künstlers, das auf ehrliche Art und Weise vorgetragen wird (was bereits beim Albumcover beginnt: ein nachdenklich-blickender Drake sitzt allein an einem Tisch, umgeben von Protz und Luxus – Stichwort: Einsamkeit trotz Erfolg).
Unterstützung erhält Drake dabei unter anderem vom „verstoßenen“ André 3000, seinem Quasi-Mentor Lil' Wayne, Bloggerliebling und Engelsstimme The Weeknd, und monsterselling Rihanna. Überraschenderweise bildet die Kollaboration mit ihr das absolute Highlight: Eigentlich „nur“ ein Cover des Songs „I'll Take Care Of You“ von Jamie xx und Gil Scott-Heron, passt Rihannas Stimmchen so perfekt dazu, dass man fast vergisst, mit wem man es hier eigentlich zu tun hat.
Nahezu komplett-CD-füllende 80 Minuten, die sich nicht so lang anfühlen, weil es Drake geschafft hat, mit „Take Care“ ein überraschendes und gefühlvolles Album zu produzieren, das sich Zeit lässt und trotzdem zu keinem Zeitpunkt langweilt, und für die dunklen und melancholischen Stunden gedacht ist. Hoffen wir, dass 2012 wieder ein Hip-Hop-Album erscheint, das dem Genre neues Leben einhaucht.
Anspieltipps:
- Take Care (Feat. Rihanna)
- Crew Love (Feat. The Weeknd)
- Marvin's Room
- Make Me Proud (Feat. Nicki Minaj)
Hat hoffentlich auch bald ein R&B-Stimmchen: Christian Laude