Künstler: M.I.A.
Album: Matangi
Mitglieder: Mathangi "Maya" Arulpragasam
Herkunft: London, England
Klingt wie: Die kleine kriminelle Schwester von Björk oder wie Nelly Furtado gern klingen würde
Seit Jahren versuchen Kritiker M.I.A. (bürgerlich Mathangi "Maya" Arulpragasam) in Genres und Traditionen von Musikerinnen einzuordnen. Im Zuge dessen werden die exotischsten und kulturkitschigsten Begriffe herausgekramt oder sogar geschaffen. Doch das ist unnötiger Firlefanz, schließlich ist ihr Sound so unverwechselbar, dass nach wenigen Takten klar ist, mit wem man es zu tun hat und M.I.A. würde all diesen Kritikern wahrscheinlich am liebsten den Mittelfinger vors angestrengte Gesicht halten. Einig sind sich zumindest alle darin, dass sie irgendwie „anders“ ist. Anders bedeutet in ihrem Fall: rebellisch, cool, vielseitig, stark, laut, chaotisch, weiblich. Der M.I.A.- Sound ist einer, zu dem Buffy Vampire jagen gegangen wäre, hätte es damals schon Songs von der britischen Sängerin gegeben, er ist das späte Erbe der Riot Grrrls und verkörpert den neuen Feminismus, der sich nicht mehr erklärt, sondern einfach auf Bestehendes pfeift und Neues entgegensetzt. Das zentrale Motiv in M.I.A.s Werk ist immer wieder der Kampf. Dafür, dass man im US-Fernsehen den (also ihren) Stinkefinger zeigen kann, für die Nichtzensur von Kunstblut in ihren Videos, für Frauenrechte, für eine neue, alternative Ästhetik. Ihre Songs verkörpern eine düstere, coole, schrille, aber nie seelenlose Form von Empowerment. Dass sie zudem die Tochter des umstrittenen tamilischen Rebellenführers Arul Pragasam ist, bringt ihr natürlich zusätzliche Street Credibility und betont ihr rebellisches Image.
Das vierte Album Matangi haut ebenfalls in die gleiche Kerbe wie seine drei Vorgänger. Dabei wurde der Veröffentlichungstermin immer wieder verschoben, weil die Plattenfirma den Sound nicht düster genug fand. Ist M.I.A. nun also weicher geworden? Die Antwort lautet: Nö. M.I.A. bleibt unberechenbar und in Angriffsstellung. Zwar startet das Album etwas mau, doch es folgt sogleich die erste Ansage mit dem Titel Warriors. Mit Come Walk With Me ist sogar ein leicht britpoppiger Song vertreten, während atTENTion eher psychedelisch anmutet. Exodus (feat. The Weeknd) ist unter gutem R’n’B zu verbuchen und Double Bubble Trouble ist ein Song, der in der verhassten Großstadtdisko deiner Heimatstadt, aber auch in deinem liebsten Geheimtipp-Subkultur- Szene-Laden in London laufen könnte, weil: fette Beats. Apropos: M.I.A. würde mir an dieser Stelle wahrscheinlich aufgrund meiner versuchten Genre-Zuordnungen schon längst mit dem Mittelfinger im Gesicht herumfuchteln.
Und die Rache folgt auf dem Fuße: Im Song Y.A.L.A. (You always live again) spottet sie nämlich einfach über Leute wie mich, es geht nämlich um die heranwachsende Hedonismus-Generation:
„YOLO? I don’t even know anymore, what that even mean though
If you only live once why we keep doing the same shit
Back home where I come from we keep being born again and again and again
That’s why they invented karma”
M.I.A.s härtester Kampf ist vermutlich der, den sie nur indirekt austrägt: Der Kampf gegen den weißen Mainstream. Ihm setzt sie eine komplexe Alternativ- und Gegenkultur entgegen, die nach eigenen Regeln spielt, eine eigene Ästhetik beinhaltet und mindestens genauso gewaltig ist. Aber das Beste ist: Egal, was Kritiker über sie zu sagen haben, M.I.A. wird ihr Ding durchziehen. Und das macht sie verdammt gut.
„Live fast, die young
Bad girls do it well.“
Anspieltipps:
- Warriors
- aTENTion
- Exodus
- Sexodus
Angriffslustig: Paula Irmschler